Projekt „KOMODO“ – die vorsätzliche Gefährdung der Fußgänger

Beim Projekt „KOMODO“ geht es um die kooperative Nutzung von Mikrodepots durch Paket- und Kurierdienste unter Einsatz von Lastenrädern auf den Fußwegen.
Ja, Fußwegen – und so sind wir gleich mittendrin im Problem dieses Projekts, dass ein Jahr lang in Berlin erprobt wurde.

Ende Mai haben die involvierten Unternehmen und auch die Berliner Senatsverwaltung ein positives Fazit gezogen und der rbb berichtete in der Abendschau darüber. Bei der Reportage wurde ein Fahrer des Unternehmens DHL begleitet und dabei gefilmt, wie er scheinbar selbstverständlich seine Auslieferungen über den Gehweg abwickelt. Der Fahrer selbst gibt an, bei seinen Fahrten auf dem Fußweg „noch nie Probleme“ mit Fußgängern gehabt zu haben und dass die Belieferung mit dem Lastenrad für ihn von großem Vorteil sei, weil er ja bis vor die Haustür ranfahren könne. Beim herkömmlichen Transporter müsse er ja die Sackkarre beladen und dann damit zu den Haustüren fahren.

Und natürlich habe ich auch nichts Anderes erwartet, als ich von dem Projekt vor einem Jahr zum ersten Mal gehört habe. Das Ganze macht nur Sinn, wenn die auf dem Fußweg fahren können. Zeitersparnis und Bequemlichkeit stehen hier im Vordergrund. So wie es ja bei den Briefzustellern auch ist: Sie fahren auf dem Fußweg und nicht wieder auf die Straße runter, um zum nächsten oder übernächsten Haus zu kommen. Und dann kann man auch gleich für längere Strecken auf dem Fußweg bleiben, wenn es passt. Und es passt meistens, weil es eben am Bequemsten ist. Auf den Autoverkehr muss man nicht mehr achten und die „paar“ Fußgänger hat man ja im Griff.

Als Zuschauer fragte man sich danach natürlich: „Wie kann das sein?“ Wie kann ein solches Projekt überhaupt die Planungsphase überstehen und dann auch noch von der Lokalpolitik befördert werden, wenn doch jedem Beteiligten klar gewesen sein muss, wie das in der Praxis aussieht?

Mit diesen und anderen Fragen konfrontierte ich per E-Mail  Hartmut Reupke, den Leiter der Abteilung Verkehr der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Er beschränkte sich in seiner ersten Antwort darauf, mir die Gesetzeslage zu erläutern, wies darauf hin, dass die Sondergenehmigung zum Befahren der Fußwege für Fahrzeuge der Deutschen Post AG vor 10 Jahren erloschen ist (ach tatsächlich?) und dass durch das Befahren der Fußwege mit Lastenfahrrädern „eine Gefährdung für die Verkehrssicherheit von zu Fuß Gehenden…zu erwarten sei“. 

Trotz Nachfragen wollte er auf die offensichtliche Widersprüchlichkeit dieses Projekts nicht eingehen, erklärte lediglich, dass auch in diesem Projekt die StVO einzuhalten sei und ihm keine Kenntnisse über systematische Verstöße vorlägen. Meinen Hinweis, dass die Situation vergleichbar mit der Briefzustellung sei, quittierte er dann mit Schweigen. 

Mit denselben Fragen wendete ich mich an die Pressestelle von Deutscher Post und DHL und erhielt von Dr. Hans-Christian Mennenga die Antwort, dass sich das Unternehmen hier verbesserte Rahmenbedingungen wünsche, „die es unseren Zustellerinnen und Zustellern rechtlich eindeutiger ermöglichen, Rad- und Gehwege zu nutzen“.
Auf Twitter äußerte sich die Pressestelle ebenso.

„Rechtlich eindeutiger den Gehweg benutzen.“ So eine Antwort muss man erstmal sacken lassen. Ich bin kein Jurist, aber vielleicht kann mir einer die Stelle in Gesetz oder Verordnung zeigen, wo das Fahren auf dem Gehweg für Zusteller bisher zu uneindeutig geregelt ist. Klar ist jedoch: DHL fährt da und will da auch in Zukunft fahren. Natürlich schreibt Herr Mennenga auch, die Zusteller seien „mit höchster Achtsamkeit unterwegs“.

Das wird auch von vielen Gehwegradlern genauso geäußert, aber letztlich bleibt das ein Widerspruch in sich. „Höchste Achtsamkeit“ würde jedenfalls Fahren maximal in Schrittgeschwindigkeit bedeuten und wer von den Zustellern macht das? Von solchen Problemen wie plötzlich aus Haustüren tretenden Leuten oder Fußgängern, die auf dem Weg einfach ihre Richtung ändern, stehenbleiben oder was auch sonst immer tun – ganz zu schweigen. Der Fußgänger hat das Recht „unberechenbar“ in seiner Fortbewegung zu sein und das ist generell mit dem Anspruch absoluter Rücksichtsnahme durch den Gehwegradler fast völlig unvereinbar. Erst recht und ohne den geringsten Zweifel gilt das für den potenziellen Knochenbrecher Lastenrad.

Herr Mennenga mochte mir jedenfalls diese offensichtlichen Widersprüche nicht aufklären und meinen Hinweis, dass es ja mit den Briefzustellern ganz genauso sei, beantwortete er mit den üblichen Ausreden, dass es sich nur um Einzelfälle handeln könne, alle Zusteller entsprechend geschult seien und ich ihm gerne meine Beobachtungen über Fehltritte von Zustellern auf dem Fußweg senden könne.

Das ist absurd. Jeder der sich durch die Stadt bewegt, sieht die Zusteller der Briefpost, wie sie ganz selbstverständlich und überall auch die Gehwege benutzen. Und ganz gewiss werde ich keine bestimmten Zusteller bei der Post anschwärzen.

Also fassen wir zusammen: Der eine Unternehmenszweig,  DHL, will sich für die Freigabe der Fußwege für die Lastenfahrräder einsetzen, der andere, die Briefpost, fährt mit seinen Fahrrädern gar nicht auf den Fußwegen und will es auch nicht. Klingt logisch.
Ich habe auch Andreas Weber vom Unternehmen LNC Logistic Network angeschrieben, der als Projektleiter von KOMODO fungiert. Er hat mir nicht geantwortet und er wird wissen, warum.

Es bleibt festzuhalten, dass das ganze Projekt illegal ist. Es müsste sofort beendet werden. Aber das wird nicht passieren, solange sich PR-geile, zynische und ignorante Politiker einen Vorteil davon versprechen, es laufen zu lassen.

An dieser Stelle wird auch wieder mal deutlich, was der Aufstieg der Grünen in der Popularität bedeutet: Es ist der Schlag in die Fresse der Fußgänger. Grüne machen eiskalte Klientelpolitik für Radfahrer. Wenn man aber den umweltfreundlichen Radverkehr ins Zentrum des Interesses stellt, ohne das Konfliktpotenzial mit dem Fußverkehr anzuerkennen, gehen die Fußgänger unter. Der überaus dreiste StVO-Entwurf beweist es. Wenn man nun sogar noch mit illegalen Projekten, die von grünen Politikern unterstützt, begrüßt und gefördert werden, den Fußverkehr vorsätzlich gefährdet, ist für mich die Grenze des Erträglichen überschritten.

Auch Herr Gelbhaar, der für die Grünen im Verkehrssauschuss des Bundestages sitzt, hat schon deutlich gemacht, was er von den Fußgängerproblemen hält. Ich habe ihn vor einiger Zeit auf Twitter zu diesem Projekt kontaktiert und er hat deutlich gemacht, dass er Fußgänger als Versuchskaninchen illegaler Verkehrsprojekte völlig in Ordnung findet.

Ich weiß nicht, wer uns Fußgängern hier noch helfen soll. Wenn jemand eine Idee hat, bitte melden!

 

Hinterlasse einen Kommentar