Bin ich ein besserer Mensch, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, aber einen großen Teil meiner Einkäufe im Internet bestelle? Wie kommen die zu mir nach Hause? Per drahtloser Übertragung? Der Film vielleicht, die Zahnbürste wohl nicht. Eingepackt von Arbeitskräften zum Hungerlohn. Bin ich ein besserer Mensch, weil ich ein freilaufendes Huhn vom Bauernhof esse? Der passiv-aggressive Vegetarier wird mich wohl trotzdem für ein Arschloch halten. Ist ein Arzt ein besserer Mensch als ein Müllmann? Ui ui ui, jetzt wird es aber gefährlich. Und dämlich.
Sich als Person oder Personengruppe moralisch über die Anderen zu erheben, kann eigentlich nur nach hinten losgehen. Mit dem Ergebnis, dass man das dann im Verhalten der Sichfürwasbessereshaltenden sieht. Der Büroschnösel, der der Putzfrau einen extragroßen Sauhaufen am Arbeitsplatz hinterlässt. Und der Radfahrer. Ich fahre, also bin ich. Und zwar was Besonderes. Deswegen gelten natürlich auch keine Regeln für mich. Ampeln sind nur für Autos gedacht. Es gibt Radfahrer die ernsthaft im Internet diskutieren, die StVO gelte für sie nicht, weil sie nur für Autos gedacht und gemacht sei. Regeln sind nur Repression.
Vor mehr als zehn Jahren war der damalige Berliner ADFC-Vorsitzende übrigens anderer Meinung. Radfahrer seinen keine besseren Menschen, sagte er. Ob das eine Einzelmeinung gewesen ist, weiss ich nicht. Die in der „radzeit“ geäußerte ist es mit Sicherheit nicht. Die B.Z. hakte bei Frau Finkelstein nach, was es mit ihrer steilen These auf sich habe. Das wäre die Gelegenheit gewesen, dass zu präzisieren oder geradezurücken. Stattdessen gab’s offenbar nur eine dumme Antwort. Schade.