Kennzeichenpflicht für Egoisten

In der „Zeit“ erschien kürzlich ein Artikel, in dem sich zwei Radler, die Redakteurin Frida Thurm und der Redakteur Tilman Steffen gegensätzlich dazu äußerten, ob Nummernschilder für Fahrräder sinnvoll sein könnten, oder nicht. 

Frida Thurm, die für Nummernschilder an Fahrrädern ist, hat schon mal einen ganz schlechten Einstieg ins Thema:

„Ich fahre gerne Fahrrad, und ich fahre gerne schnell. Sehr schnell. Auch über rote Ampeln. … Oder kurz über den Fußweg, um an dem stehenden Laster vorbeizukommen. Ich liebe das Schwitzen, den Fahrtwind und die Freiheit.“

Für mich klingt das nach typischem Kampfradlertum. Rote Ampeln? Scheiß drauf. Gelten nur für Autos. Fußgängerampeln? Fußgänger? Egal. Wenn Radler von Freiheit schreiben, ist für die Fußgänger höchste Vorsicht geboten. Die Freiheit geht eigentlich immer zu Lasten anderer. Im Straßenverkehr von Freiheit zu reden, ist sowieso totaler Quatsch, selbst in irgendeinem Park oder auf dem Tempelhofer Feld gibt es die nicht – es sei denn, man blendet die Fußgänger einfach aus.

Und „kurz“ über den Fußweg fahren ist eben wie kurz auf dem Fußweg parken, um Brötchen zu kaufen. Nur mit dem Unterschied, dass das Auto dann steht und für die Fußgänger keine unmittelbare Gefahr darstellt. Der Radfahrer auf dem Fußweg aber schon, weil sie oder er ja fährt und nicht als Einzige(r) auf diese dumme Idee kommt.

Frida Thurm erkennt immerhin an, dass sie sich wohl häufiger an die Regeln halten würde, wenn sie ein Nummernschild am Fahrrad hätte. Ihr Argument, mit Nummernschild würden Radler letztlich auch von Verkehrsplanung und Politik als vollwertige Verkehrsteilnehmer anerkannt, kann ich jedoch nicht nachvollziehen. 

„Radfahrer werden behandelt wie eine Randgruppe, die neben dem richtigen Verkehr, den Autos, nur gnädig geduldet wird. Dabei sind sie diejenigen, die dafür sorgen, dass der Verkehr in den Städten überhaupt noch funktioniert.“

Ach. Ich finde, dafür sorgen vor allem die Fußgänger, denn man kann auch längere Wege durchaus zu Fuß zurücklegen. Davon scheint Frau Thurm nichts zu wissen, oder sie blendet es aus. So wie Fußgänger und deren Nöte eben immer von Kampfradlern ausgeblendet werden.

Tilman Steffen, der gegen Nummernschilder an Fahrrädern ist, fragt sich:

„Wozu soll das dienen? Um einem Radfahrer anzulasten, dass er auf dem Radweg rechts überholt hat? Dass er zwischen den Autos hindurch vor zur Ampel rollt?“

Von den Delikten Rotradeln und Fußgängergefährdung schreibt Tilman Steffen nichts. Das hätte natürlich nicht gut ausgesehen in seiner Argumentation. Er schreibt in Bezug von Kennzeichen auch von Denunziation, während er das einen Absatz vorher bei den Autos natürlich in Ordnung findet: 

„Denn Kennzeichen machen Autofahrer identifizierbar. … bei Rot über die Ampel, … Fahrerflucht …“

Er meint also, diese Delikte begehen Radfahrer nicht, oder sollten sie nicht geahndet werden?

„Es gehört zur Kultur des Stadtverkehrs, dass Radfahrerinnen die sich ihnen bietenden Spielräume nutzen, um voranzukommen: … mal über den Gehweg abkürzen, auch mal bei Rot fahren, wenn wirklich keiner gefährdet wird. Diese Möglichkeiten sollten Radler weiter haben.“

Ja genau so dachte ich mir das. Diese Delikte sollen einfach nicht geahndet werden. Oder es sind gar keine Delikte, Herr Steffen nennt sie „Möglichkeiten“. Diese Möglichkeiten gefährden Menschen, auch wenn sich Tilman Steffen etwas anderes einreden will.

Was passiert, wenn alle Radfahrer hier vor meiner Tür übern Gehweg abkürzen, weil die Straße mal wieder in erster und zweiter Reihe zugeparkt ist? Ich kann es Ihnen erklären: Ich mache die Haustür auf, ich schaue nach links und rechts nach Radfahrern, dann gehe ich los. Will ich auf dem Fußweg geradeaus gehend, die Richtung ändern, weil ich vielleicht an ein Ladengeschäft herantreten oder die Straße überqueren will, muss ich über die Schulter schauen, denn ein Radler könnte ja gerade von hinten kommen. Nur so habe ich bereits den einen oder anderen Zusammenstoß verhindern können. Die erzwungene Rücksichtnahme auf Radler in meinem geschützten Fortbewegungsbereich ist Alltag.  Dank gewissenlosen Egoisten wie Ihnen, Herr Steffen. Sie wollen meine Probleme nicht sehen, sie wollen nur fahren und sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. 

„Radfahrern Vorschriften zu machen oder sie zu gängeln, hat schon beim Helm nicht funktioniert“

schreibt Tilman Steffen und liegt damit falsch, denn mir ist keine Helmpflicht bekannt, an die sich die Radler nach der Einführung dann nicht gehalten hätten. Ich kenne aber die Helmpflicht für Moped- und Motorradfahrer und da scheint es zu funktionieren. Komisch. 

Und da ihm nichts besseres einfällt, kommt bei Herrn Steffen zum Schluss das allbekannte Geseiere von der gegenseitigen Rücksichtsnahme, die doch völlig ausreichen würde. In der Theorie klingt das gut, in der Praxis funktioniert das aber nicht. Nirgends. In keinem Land, in keinem Lebensbereich. Deshalb brauchen wir Regeln und Gesetze, an die sich alle halten müssen. Ich habe Angst vor den Leuten, die das anders sehen. Sie sind meistens rücksichtslose, intolerante und egoistische Personen. Tilman Steffen und Frida Thurm sind zwei davon.